Der ewige deutsche Rundfunkstreit. Verfassungsfragen.
Man mag es kaum glauben. Aber es ist so. Seit Anbeginn der Bundesrepublik gab und gibt es teils erbitterte Diskussionen über die Macht im öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Immer wieder gab es Versuche, das System "gefügiger" zu machen. Programmliche Kritik wurde mit rechtlichen Veränderungsversuchen kombiniert. Es ist nichts weiter als ein weltanschaulicher Grundsatzstreit, in dem eher konservative Kräfte den Rundfunk stark beeinflussen möchten, während eher linke/liberale Kräfte die Rundfunkfreiheit erhalten und verbessern wollen, wie sie mit dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk von den Engländern und Amerikanern nach 1945 implementiert wurde. Die Umstrukturierung wurde auf allen möglichen Wegen immer wieder neu versucht. Das Bundesverfassungsgericht hatte viele Urteile zu sprechen. Die wichtigsten Urteile bzw. Beschlüsse sind nachfolgend in Zitaten der Leitsätze kompakt und dadurch gekürzt zusammengestellt.
1961-02-28. Bundesverfassungsgericht. Deutschlandfernsehen.
Konrad Adenauer versuchte Macht über den Rundfunk durch ein vom Bund gegründetes Ferhsehprogramm zu bekommen. Er scheiterte am Bundesverfassungsgericht. Der entsprechende Leitsatz und Auszüge aus der Begründung:
Der Bund hat durch die Gründung der Deutschland-Fernsehen-GmbH gegen Artikel 30 in Verbindung mit dem VIII. Abschnitt des Grundgesetzes sowie gegen den Grundsatz bundesfreundlichen Verhaltens und gegen Artikel 5 des Grundgesetzes verstoßen...
Art. 5 GG verlangt jedenfalls, daß dieses moderne Instrument der Meinungsbildung weder dem Staat noch einer gesellschaftlichen Gruppe ausgeliefert wird. Die Veranstalter von Rundfunkdarbietungen müssen also so organisiert werden, daß alle in Betracht kommenden Kräfte in ihren Organen Einfluß haben und im Gesamtprogramm zu Wort kommen können, und daß für den Inhalt des Gesamtprogramms Leitgrundsätze verbindlich sind, die ein Mindestmaß von inhaltlicher Ausgewogenheit, Sachlichkeit und gegenseitiger Achtung gewährleisten. Das läßt sich nur sicherstellen, wenn diese organisatorischen und sachlichen Grundsätze durch Gesetz allgemein verbindlich gemacht werden. Art. 5 GG fordert deshalb den Erlaß solcher Gesetze....
Die durch notariellen Vertrag vom 25. Juli 1960 gegründete Deutschland-Fernsehen-GmbH, deren Zweck "die Veranstaltung von Fernseh-Rundfunksendungen (ist), die den Rundfunkteilnehmern in ganz Deutschland und im Ausland ein umfassendes Bild Deutschlands vermitteln sollen", bestand ursprünglich aus der Bundesrepublik Deutschland und dem Bundesminister Schäffer als Gesellschaftern; seit dem Ausscheiden des Gesellschafters Schäffer, der "für die Länder der Bundesrepublik Deutschland" seine Stammeinlage übernommen hatte, ist alleiniger Gesellschafter die Bundesrepublik Deutschland. Die Gesellschaft ist also völlig in der Hand des Staates. Sie ist ein Instrument des Bundes, sie wird kraft der verfassungsmäßigen Kompetenzen der Bundesregierung und des Bundeskanzlers von diesen beherrscht. Diese Feststellung kann nicht durch den Hinweis auf den Inhalt des Gründungsvertrags und der nur einen Bestandteil des Vertrags bildenden Satzung der Gesellschaft entkräftet werden. Selbst wenn man unterstellt, daß die Gesellschaftsorgane, insbesondere der Aufsichtsrat und der Intendant, in relativer Unabhängigkeit arbeiten, und daß die satzungsgemäßen Grundsätze für die Programmgestaltung dem Gebot des Art. 5 GG, der institutionellen Freiheit des Rundfunks, zur Zeit Rechnung tragen, bleibt entscheidend, daß das Gesellschaftsrecht und die Gesellschaftssatzung keine Gewähr gegen eine Veränderung der gegenwärtigen Gestalt der Gesellschaft bieten. Ebenso wie aus Anlaß des Ausscheidens des Gesellschafters Schäffer die Satzung geändert worden ist, kann sie auch sonst jederzeit geändert werden. Die "Gesellschafterversammlung" kann jede Änderung beschließen, kann schließlich auch die Auflösung und Neugründung der Gesellschaft mit neuen Organen (einschließlich der damit verbundenen personellen Veränderungen) beschließen. Es ist ein elementarer Unterschied, ob die oben angegebenen organisatorischen Vorkehrungen und sachlichen Leitgrundsätze zum Zwecke der Erhaltung der Freiheit des Rundfunks in einem Gesetz oder in einem Gesellschaftsvertrag enthalten sind. Gründung und Existenz der Deutschland-Fernsehen-GmbH verstoßen demnach gegen Art. 5 GG. [VerfG 28.2.1961/ 2 BvG 1, 2/60] #
ZMZ
1971-07-27. Bundesverfassungsgericht. Mehrwertsteuerurteil.
1. Die Tätigkeit der Rundfunkanstalten vollzieht sich im öffentlich-rechtlichen Bereich. Die Rundfunkanstalten stehen in öffentlicher Verantwortung, nehmen Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahr und erfüllen eine integrierende Funktion für das Staatsganze. Ihre Tätigkeit ist nicht gewerblicher oder beruflicher Art.
2. Der Bund kann nicht kraft seiner konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz für die Verkehr- und Verbrauchsteuer durch eine Fiktion die in der Veranstaltung von Rundfunksendungen bestehende Tätigkeit der Rundfunkanstalten für den Bereich des Umsatzsteuerrechts in eine Tätigkeit gewerblicher oder beruflicher Art umdeuten. [2 BvF 1/68, 2 BvR 702/68] #
ZMZ
1980-05-28. Bundesverwaltungsgericht. NDR-Staatvertrag
Mit der Kündigung des NDR Staatvertrages durch Schlesig-Holsteins Ministerpräsidenten Gerhard Stoltenberg (CDU) wurde ein weitere Versuch gestartet, das Rundfunksystem zu ändern. Einer der Gründe: Die kritische Brokdorf-Berichterstattung des NDR. Der Kündigung schloss sich Niedersachsens Ministerpräsident Ernst Albrecht (CDU) an. Eine der Begründungen: "Wenn ich Musik hören will, dann will ich Musik hören und kein Dazwischengequatsche".
Hamburg und der NDR klagten vor dem Bundesverwaltungsgericht (damals noch in Berlin neben dem Bahnhof Zoo). Das Gericht entschied. Niedrsachsens Kündigung ist nicht gültig. Schleswig-Holstein tritt aus dem NDR aus. Die Folge war, dass die drei Länder einen neuen NDR-Staatsvertrag schlossen. Schleswig-Holstein hätte eine eigene Landesrundfunkanstalt nicht gründen können. Gerhard Stoltenberg damals nach dem Urteil gegenüber dem Herausgeber: Ich hatte nicht geahnt, wie teuer eine Rundfunkanstalt ist. Der Versuch, auf diesem Wege die politischen Einflußmöglichkeiten zu verstärken, war gescheitert. Und Brokdorf? Ist inzwischen abgeschaltet. Der Atommüll ist noch immer nicht in einem sicheren Endlager. Windmühlen und Solaranlagen prägen das Bild. Schleswig-Holstein versorgt damit sogar andere Bundesländer. #
ZMZ
1981-06-16. Bundesverfassungsgericht. FRAG Urteil
1. Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG fordert für die Veranstaltung privater Rundfunksendungen eine gesetzliche Regelung, in der Vorkehrungen zur Gewährleistung der Freiheit des Rundfunks zu treffen sind. Diese Notwendigkeit besteht auch dann, wenn die durch Knappheit der Sendefrequenzen und den hohen finanziellen Aufwand für die Veranstaltung von Rundfunksendungen bedingte Sondersituation des Rundfunks im Zuge der modernen Entwicklung entfällt.
2. Zu den Fragen, welche der Gesetzgeber zu regeln hat, gehört die Entscheidung über die Grundlinien der Rundfunkordnung. Im Rahmen des zugrunde gelegten Ordnungsmodells hat der Gesetzgeber sicherzustellen, daß das Gesamtangebot der inländischen Programme der bestehenden Meinungsvielfalt im wesentlichen entspricht. Ferner hat er Leitungsgrundsätze verbindlich zu machen, die ein Mindestmaß an inhaltlicher Ausgewogenheit, Sachlichkeit und gegenseitiger Achtung gewährleisten. Er muß eine begrenzte Staatsaufsicht vorsehen, den Zugang zur Veranstaltung privater Rundfunksendungen regeln und, solange dieser nicht jedem Bewerber eröffnet werden kann, Auswahlregelungen treffen.... [1 BvL 89/78] #
ZMZ
1986-11-04. Bundesverfassungsgericht. Das Vierte Rundfunkurteil.
Diese Entscheidung ist die verfassungsrechtliche Basis für das duale Rundfunksystem. Die wesentlichen Leitsätze:
1. a) In der dualen Ordnung des Rundfunks, wie sie sich gegenwärtig in der Mehrzahl der deutschen Länder auf der Grundlage der neuen Mediengesetze herausbildet, ist die unerläßliche "Grundversorgung" Sache der öffentlich-rechtlichen Anstalten, deren terrestrischen Programme nahezu die gesamte Bevölkerung erreichen und die zu einem inhaltlich umfassenden Programmangebot in der Lage sind. Die damit gestellte Aufgabe umfaßt die essentiellen Funktionen des Rundfunks für die demokratische Ordnung ebenso wie für das kulturelle Leben in der Bundesrepublik. Darin finden der öffentlich-rechtliche Rundfunk und seine besondere Eigenart ihre Rechtfertigung. Die Aufgaben, welche ihm insoweit gestellt sind, machen es notwendig, die technischen, organisatorischen, personellen und finanziellen Vorbedingungen ihrer Erfüllung sicherzustellen.
1. b) Solange und soweit die Wahrnehmung der genannten Aufgaben durch den öffentlich-rechtlichen Rundfunk wirksam gesichert ist, erscheint es gerechtfertigt, an die Breite des Programmangebots und die Sicherung gleichgewichtiger Vielfalt im privaten Rundfunk nicht gleich hohe Anforderungen zu stellen wie im öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Die Vorkehrungen, welche der Gesetzgeber zu treffen hat, müssen aber bestimmt und geeignet sein, ein möglichst hohes Maß gleichgewichtiger Vielfalt im privaten Rundfunk zu erreichen und zu sichern. Für die Kontrolle durch die zur Sicherung der Vielfalt geschaffenen (externen) Gremien und die Gerichte maßgebend ist ein Grundstandard, der die wesentlichen Voraussetzungen von Meinungsvielfalt umfaßt: die Möglichkeit für alle Meinungsrichtungen - auch diejenige von Minderheiten -, im privaten Rundfunk zum Ausdruck zu gelangen, und den Ausschluß einseitigen, in hohem Maße ungleichgewichtigen Einflusses einzelner Veranstalter oder Programme auf die Bildung der öffentlichen Meinung, namentlich die Verhinderung des Entstehens vorherrschender Meinungsmacht. Aufgabe des Gesetzgebers ist es, die strikte Durchsetzung dieses Grundstandards durch materielle, organisatorische und Verfahrensregelungen sicherzustellen.
2. Grundsätzlich genügt diesen und den übrigen Anforderungen der Rundfunkfreiheit eine Konzeption der Ordnung privaten, durch Werbeeinnahmen finanzierten Rundfunks, welche neben allgemeinen Mindestanforderungen die Voraussetzungen der gebotenen Sicherung von Vielfalt und Ausgewogenheit der Programme klar bestimmt, die Sorge für deren Einhaltung sowie alle für den Inhalt der Programme bedeutsamen Entscheidungen einem externen, vom Staat unabhängigen, unter dem Einfluß der maßgeblichen gesellschaftlichen Kräfte und Richtungen stehende Organ überträgt und wirksame gesetzliche Vorkehrungen gegen eine Konzentration von Meinungsmacht trifft... [1 BvF 1/84 ] #
ZMZ
1987-03-24. Bundesverfassungsgericht. Baden Württemberg. Beschluss.
Details eines Gesetzes zum Privatfunk in Baden-Württemberg wurden für verfassungswidrig erklärt. Dazu reichte ein Beschluss, dessen Kernsatz lautet:
1. Die verfassungsrechtliche Gewährleistung der Freiheit des Rundfunks verwehrt es dem Gesetzgeber prinzipiell, die Veranstaltung bestimmter Rundfunkprogramme und rundfunkähnlicher Kommunikationsdienste zu untersagen oder andere Maßnahmen zu treffen, welche die Möglichkeit verkürzen, durch Rundfunk verbreitete Beiträge zur Meinungsbildung zu leisten. Auch jenseits der Grundversorgung durch die öffentlich-rechtlichen Anstalten ...ist es dem Gesetzgeber daher versagt, die Veranstaltung dieser Programme und Dienste ausschließlich privaten Anbietern vorzubehalten... [1 BvR 147, 478/86 ] #
ZMZ
1991-02-05. Bundesverfassungsgericht. Sechstes Rundfunkurteil.
Das Urteil gibt dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk anhand eines Urteils zu einem Gesetz für Nordrhein-Westfalen eine Bestands- und Enticklungsgarantie. Die Leitsätze(gekürzt):
1. a) Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG verpflichtet den Staat, die Grundversorgung, die dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk in einer dualen Rundfunkordnung zufällt, zu gewährleisten.
1. b) Die Grenzen der daraus folgenden Bestands- und Entwicklungsgarantie für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk ergeben sich aus der Funktion, die dieser im Rahmen des von Art. 5 Abs. 1 GG geschützten Kommunikationsprozesses zu erfüllen hat...
1. c) Die Bestands- und Entwicklungsgarantie für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk erstreckt sich auch auf neue Dienste mittels neuer Techniken, die künftig Funktionen des herkömmlichen Rundfunks übernehmen können....
2. b) Soweit der Gesetzgeber die Möglichkeit einer Veranstalterkooperation oder einer sonstigen gemeinschaftlichen Programmträgerschaft eröffnet, muß er sicherstellen, daß der öffentlich-rechtliche Rundfunk imstande bleibt, seinen Grundversorgungsauftrag ungeschmälert zu erfüllen. Das setzt namentlich voraus, daß die Programmsegmente abgrenzbar und ihrem Träger zurechenbar sind...
2. d) Die Veröffentlichung von Druckwerken mit vorwiegend programmbezogenem Inhalt ist von der Rundfunkfreiheit gedeckt, wenn sie dem Aufgabenkreis des Rundfunks als unterstützende Randbetätigung zugeordnet werden kann...
3. a) In einer dualen Rundfunkordnung ist es von Verfassungs wegen erlaubt, aber nicht gefordert, für den privaten Rundfunk an die Breite des Programmangebots und die Sicherung gleichgewichtiger Vielfalt geringere Anforderungen zu stellen als für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk.
5. a) Die Kontrollgremien des Rundfunks sollen nicht der Repräsentation organisierter Interessen oder Meinungen, sondern der Sicherung der Meinungsvielfalt im Rundfunk dienen. [1 BvF 1/85, 1/88 ] #
ZMZ
1992-10-06. Bundesverfassungsgericht. HR Urteil. Rundfunkfinanzen.
1. Überträgt der Gesetzgeber die Rundfunkveranstaltung ganz oder zum Teil öffentlich-rechtlichen Anstalten, so verlangt Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG, daß er die Erfüllung ihrer Aufgaben finanziell sicherstellt.
2. Die Finanzierung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten muß nach Art und Umfang ihrer Funktion entsprechen und darf ihre von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG geschützte Programmautonomie nicht gefährden
3. Die dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk gemäße Art der Finanzierung ist die Rundfunkgebühr. Mischfinanzierung ist zulässig, sofern dabei die Gebührenfinanzierung nicht in den Hintergrund tritt....
5. Bezugsgröße für die Bestimmung des zur Aufgabenerfüllung Erforderlichen ist nicht jedes einzelne Programm, sondern das gesamte Programmangebot einer öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt.[1 BvR 1586/89 und 487/92 ] #
ZMZ
1994-02-22. Bundesverfassungsgericht. Gebührenurteil.
Aufgrund dieses Urteils wurde ein Verfahren installiert, in dem eine Kommission die Bedarfe der Rundfunkanstalten überprüft und eine Empfehlung an die Länder gibt. Die Leitsätze des Urteils:
1. Die Rundfunkfreiheit erfordert nicht die Gebührenfestsetzung durch die Rundfunkanstalten selbst. Eine Festsetzung der Rundfunkgebühr durch Staatsvertrag der Länder und anschließende Umsetzung in Landesrecht ist mit dem Grundgesetz vereinbar.
2. Art 5 Abs 1 Satz 2 GG verlangt für die Festsetzung der Rundfunkgebühr ein Verfahren, das dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk die zur Erfüllung seiner Aufgabe im dualen System erforderlichen Mittel gewährleistet und ihn vor Einflußnahmen auf das Programm wirksam sichert.
3. Für die Gebührenfinanzierung gilt der Grundsatz der Programmneutralität. Im Verfahren der Gebührenfestsetzung ist von den Programmentscheidungen der Rundfunkanstalten auszugehen. Die Gebühr darf nicht zu Zwecken der Programmlenkung oder der Medienpolitik eingesetzt werden.
4. Die Überprüfung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten darf sich nur darauf beziehen, ob sich ihre Programmentscheidungen im Rahmen des rechtlich umgrenzten Rundfunkauftrags halten und ob der aus ihnen abgeleitete Finanzbedarf zutreffend und im Einklang mit den Grundsätzen von Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit ermittelt worden ist.
5. Der so überprüfte Bedarf der Rundfunkanstalten darf bei der Gebührenfestsetzung nur aus Gründen unterschritten werden, die vor der Rundfunkfreiheit Bestand haben. Dazu gehören namentlich die Interessen der Gebührenzahler. Abweichungen sind zu begründen
[1 BvL 30/88] #
ZMZ
2007-09-11. Bundesverfassungsgericht. Zweites Gebührenurteil.
Teile des Gebührfenstaatsvertrages waren verfassungswidrig. Ein Leitsatz und eine Begründung aus dem Urteil:
Die vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Anforderungen an die gesetzliche Ausgestaltung der Rundfunkordnung zur Sicherung der Rundfunkfreiheit im Sinne des Art.5 Abs.1 Satz 2 GG sind durch die Entwicklung von Kommunikationstechnologie und Medienmärkten nicht überholt...
Die Mitglieder von Landesregierungen und Parlamenten sind verfassungsrechtlich zwar keineswegs gehindert, für medienpolitische Strukturreformen einzutreten und ihre gesetzliche oder sonstige Umsetzung vorzubereiten oder vorzunehmen; ebenso wenig hindert die Rundfunkfreiheit sie daran, die späteren finanziellen Folgen derartiger Reformen zu thematisieren. Es ist jedoch mit der Rundfunkfreiheit nicht zu vereinbaren, derartige Folgen geplanter Strukturreformen bereits in die Gebührenentscheidung einzubringen, ohne dass dem die für solche grundlegenden Weichenstellungen erforderliche gesetzliche Umsetzung vorausgegangen ist. [1BvR2270/05 + 1BvR809/06 + 1BvR830/06] #
ZMZ
2021-07-20. Bundesverfassungsgericht. Gebührenverweigerung. Sachsen-Anhalt.
Der Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, Reiner Haseloff, seit 2010 im Amt, hatte (31 Jahre nach dem Beitritt der DDR zur Bundesrepublik) das Thema Rundfunkfreiheit offenbar nicht in seiner gesamten Komplexität verinnerlicht. Das Urteil:
1. Aufgrund der Rundfunkfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG besteht eine staatliche Handlungspflicht in Bezug auf die Gewährleistung der funktionsgerechten Finanzierung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, mit der ein grundrechtlicher Finanzierungsanspruch korrespondiert. Ein Unterlassen der Erfüllung dieser Pflicht kann von den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten im Verfahren der Verfassungsbeschwerde gerügt werden.
2. Die staatliche Finanzgewährleistungspflicht aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG obliegt den Ländern als föderaler Verantwortungsgemeinschaft, wobei jedes Land Mitverantwortungsträger ist. Die Mitverantwortung beruht darauf, dass die Länder die Gesetzgebungskompetenz für die Rundfunkfinanzierung besitzen, derzeit aber nur eine länderübergreifende Regelung der funktionsgerechten Finanzierung des Rundfunks den Grundrechtsschutz verwirklichen kann.
3. Im gegenwärtigen System der Rundfunkfinanzierung genügt es nicht, wenn ein einzelnes Land eine Erhöhung des Rundfunkbeitrags – überdies ohne tragfähige Begründung – ablehnt.
[BverfG/1 BvR 2756/20, 2775/20 und 2777/20 /20.7.2021] #
ZMZ
2024-11. Es gibt wiederum mehrere Fälle, die das Bundesverfassungsgericht klären muss.
2024.November. Der Rundfunk Berlin-Brandenburg klagt, weil er seine verfassungsgemäße Rundfunkfreiheit durch den Medienstaatsvertrag der beiden Länder, der sehr viele, genauer: offenbar zuviele politische Vorgaben macht, gefährdet sieht.
2024.November. ARD und ZDF klagen, weil der Rundfunkgebührenstaatsvertrag durch Äusserungen von einigen Länderminister-präsidenten oder ihren Vertretern offensichtlich nicht nach den vorgegebenen Verfahren abgeschlossen werden kann. #
ZMZ
2024-12-12 Rundfunkgebühr. CDU/CSU. Die jüngste Volte
Die Länder haben beschlossen, die Rundfunkgebühr auf dem derzeitigen Stand für 2025 und 2026 zu belassen. Das Bundes-Verfassungsgericht wird dazu entscheiden. Allerdings gibt es ein sehr bemerkenswertes Verfassungsverständnis der Ministerpräsidenten von Sachsen-Anhalt und Bayern: "Bayern und Sachsen-Anhalt fügten eine Protokollnotiz hinzu. Sie wollen den Staatsvertragsentwurf zur Finanzierung des Rundfunkbeitrags erst dann unterschreiben und ihren Landtagen zur Anhörung zuleiten, wenn ARD und ZDF die Verfassungsbeschwerde zurücknehmen". [dpa/Welt 12.12.24].
ZMZ